Tag 38 - 42: Yellowstone
Nachdem wir Montana einmal von Norden nach Süden durchquert und verschiedene Landschaften gesehen haben, erreichen wir kurz vor der Grenze nach Wyoming den Yellowstone National Park. Dieser Nationalpark gehört mit einer Größe von 8987 km2 , was in etwa der Größe von Korsika entspricht, zu den größten Nationalparks der USA. Der Nationalpark erstreckt sich vor allem auf dem Staatsgebiet von Wyoming, wobei allerdings auch kleinere Teile in Idaho und Montana zu finden sind. Mit seiner Gründung am 1. März 1872 ist er zudem der älteste Nationalpark der Welt (auch wenn das nicht ganz unumstritten ist und vermutlich davon abhängt, wie man “Nationalpark” nun genau definiert; auf jeden Fall ist er der älteste Nationalpark in den USA) und zählt seit 1978 zu dem UNESCO-Weltkulturerbe. So oder so, Yellowstone ist etwas ganz Besonderes - das wird der geneigte Leser nach der Lektüre sicher genau so sehen.
Der Kern des Nationalparks liegt in der Caldera des Supervulkans Yellowstone. Dies führt zu einer enormen Anzahl geothermaler Quellen. Etwa 62 (!) Prozent aller weltweit bekannten geothermalen Quellen sind im Yellowstone National Park zu finden. Hierzu zählen, z. B., Geysire (“geyser”), Schlammtöpfe (“mud pots”), Fumarolen (“fumaroles”, “vents”) und heiße Quellen (“springs”, “pools”). Und als hätte es die Natur mit diesem Flecken Erde nicht schon gut genug gemeint, so finden sich neben der besonderen vulkanogenen Landschaft auch noch schönen Seen, tiefe Schluchten und beeindruckende Wasserfälle. Sowie wie große Populationen von Wildtieren: Bisons, Wölfe und Grizzlybären sind nur einige davon. Wobei dies sicherlich auch eine Folge des Nationalparkstatus ist.
Aber zurück zu unserer Zeit im Yellowstone. Wir erreichen den Nationalpark nachmittags durch den nördlichen Eingang bei Mammoth Hot Springs und gehen als Erstes ins Visitor Center. Hier befindet sich eine informative Ausstellung über den Nationalpark, insbesondere zu den hier heimischen großen Säugetiere, sowie das Backcountry Office.
Denn da wir für den nächsten Tag ein Backcountry Permit reserviert haben, müssen wir uns dieses noch ausstellen lassen - der geneigte Leser kennt das Prozedere mittlerweile sicherlich. Diesmal gehört zur Einweisung ein längeres Video mit allgemeinen Informationen zum Wildzelten sowie zum Umgang mit Bären. Dies scheint insbesondere aktuell wichtig zu sein, da in der Nähe unseres Zeltplatzes eine erhöhte Wildtierdichte herrscht und Teile des Wanderwegenetzes in diesem Gebiet sogar deswegen gesperrt sind. Etwas Unbehagen verursacht dies dann doch, schließlich ist mit Bären im Allgemeinen und Grizzlybären im Speziellen absolut nicht zu spaßen. Die Rangerin beruhigt uns jedoch und erklärt uns nochmal ausführlich worauf wir achten müssen. Des Weiteren empfiehlt sie uns nicht nur ein gemeinsames Bärenabwehrspray mitzunehmen, sondern eines pro Person. Zum Glück gibt es hier im Park einen Verleih, sodass wir uns mit einem weiteren - im Kauf nicht gerade günstigen - Spray ausstatten können. Spoiler: Wir werden das Spray nicht anwenden, fühlen uns damit jedoch deutlich sicherer. Besser Vorsicht als Nachsicht; besser haben als brauchen.
Nach einem kurzen aber starken Regenguss - verbringen wir also noch ein wenig Zeit im Besucherzentrum - machen wir uns auf den Weg zu den Kalksinterterrassen, die in der Region rund um Mammoth Hot Springs besonders ausgeprägt sind. Die Kalksinterterrassen entstehen durch heiße Quellen, welche kontinuierlich kalkhaltiges Wasser an die Oberfläche pumpen. Das Wasser läuft anschließend den Hang hinab, der Kalk lagert sich ab und so entstehen nach und nach terrassenförmige Strukturen. Auch wenn diese Quellen natürlich nicht im eigentlichen Sinne lebendig sind, so haben sie doch ein gewisses - unvorhersehbares, Eigenleben: Mal versiegt eine Quelle hier, mal taucht dort - wo gerade noch ein Weg verläuft - eine neue auf; mal ändert sich die Temperatur und damit die ganze Erscheinung.
Die Landschaft unterteilt sich hier in zwei Bereiche: das untere und obere Terrassenbecken. Im unteren Teil kann man auf Plankenwegen durch die Terrassen spazieren. Im oberen Teil gibt es, typisch amerikanisch, einen “Scenic Drive” durch die Formationen. So kann man ganz bequem vom Auto aus die Highlights sehen, dazwischen entlangfahren und bei Bedarf über zusätzliche Pfade ein wenig tiefer hineinlaufen.
Mit dem letzten Tageslicht geht es anschließend Richtung Osten zu unserem Campingplatz für die Nacht, dem Towerfall Campground. Den nächsten Morgen beginnen wir etwas verfroren, hatte es nachts doch nur knapp über 0 Grad, wärmen dann aber schnell in der Sonne auf. Unser erster Stopp des Tages ist Calcite Spring, eine heiße Quelle direkt am Ufer des Yellowstone Rivers. Auf dem Weg dorthin sehen wir auch schon ein erstes Bison sowie ein Mule Deer (Maultierhirsch).
Anschließend geht es ins Lamar Valley, welches vor allem bei Tierbeobachtern sehr beliebt ist. Hier lassen sich wohl auch einige Wölfe beobachten, von denen bekommen wir jedoch keine zu Gesicht. Dafür entdecken wir jedoch mehrere einzelne Bisons und Bisonherden sowie Gabelböcke (“pronghorn”). Galt das Bison im Yellowstone schon als ausgestorben bzw. ausgerottet, so hat es die Nationalparkverwaltung mit Zuchtprogrammen und zugekauften Tieren geschafft, die Population wieder deutlich zu erhöhen und das Überleben dieser Riesen hier im Park zu sichern. Schätzungsweise gibt es im Park mittlerweile wieder über 2400 dieser felligen Giganten. Wovon man jedoch mit Abstand am meisten sieht: Menschen, teils mit enormen Ferngläsern, wohl auf einen Wolf am Waldesrand hoffend.
Weiter geht es Richtung Süden ins Canyon Village. Die Strecke führt unterhalb des Mount Washburn entlang und bietet tolle Ausblicke über die ausgedehnten Landschaften des Parks.
Hier befindet sich der “kleine Grand Canyon vom Yellowstone”, inklusive North Rim Drive und South Rim Drive. Besonders beeindruckend sind die Lower Yellowstone Falls, die sich sowohl vom North Rim Drive (Red Rock Point und Inspiration Point) als auch vom bekannten Artist Point entlang des South Rim Drive anschauen lassen. Auch der Canyon selbst ist beeindruckend und erinnert wirklich an eine (deutlich) kleinere Version des Grand Canyons. Besonders gefallen uns hier jedoch auch die Farben des Gesteins: Variationen von Gelb bis Rot, teils grünlich. Dies wiederum erinnert sehr an einen anderen Nationalpark: den Bryce Canyon in Utah.
Von hier aus geht es Richtung Westen zum Norris Geyser Basin. Das Norris-Geysir-Becken beherbergt einige Geysire, heiße Quellen und Fumarolen. Darunter auch den höchsten Warmwassergeysir der Welt: den Steamboat Geysir. Zugleich ist es das älteste, sauerste und heißeste Areal im Park. Leider qualmt der Geysir bei unserer Besichtigung zwar ziemlich, nach einem Ausbruch scheint ihm der Sinn jedoch nicht zu stehen. Generell lernen wir, dass vorhersehbare Geysir-Eruptionen eher die Seltenheit sind und je nach Geysir Stunden bis Jahre, teils gar Jahrzehnte, zwischen einzelnen Ausbrüchen liegen können.
Die Farbenvielfalt einiger Quellen wird durch unterschiedliche, thermophile Bakterien hervorgerufen. Je nach Temperatur siedeln sich unterschiedliche Bakterien, aber auch Algen und Archaeen an und führen zu den farbenfrohen Quellen. Die Farben gehen auf verschiedene Bakterien zurück, die jeweils unterschiedliche Temperaturen bevorzugen bzw. auszuhalten vermögen. Auch spielt es eine Rolle, ob Wasser schwefelhaltig, sauer etc. ist. Generell lässt sich sagen, dass Bakterien mit rötlichen und orangen Pigmenten etwas weniger tolerant sind, als solche mit grünen Pigmenten. Irgendwann ist es aber selbst den hitzebeständigeren Mikroorganismen zu heiß, hier zeigen sich die Wasserfarben dann in einem klaren Dunkelblau und liegen meist über 80 ºC bis hin zum Siedepunkt. Die meisten heißen Quellen liegen jedoch bei 60 bis 70 ºC maximaler Wassertemperatur. Generell nimmt die Temperatur zum Rand der Quellen ab - so erklären sich auch die unterschiedlichen Schattierungen und Farben innerhalb einer hot spring.
Unser nächster Halt gilt den Artists’ Paint Pots, einem Gebiet mit kleineren Quellen und Geysiren, die von oben betrachtet wirklich etwas Ähnlichkeit mit Farbtöpfen haben. Hier gibt es auch einen “schönen” Schlammtopf: Das Wasser ist hier so reich an sauren Zusätzen, dass es mit der Zeit das umliegende Gestein auflöst; dieser Brei blubbert dann munter vor sich hin.
Am Penny Pond halten wir kurz, spazieren den Plankenweg entlang und bestaunen ein paar weitere heiße Quellen. Diesmal aber nicht von kahler Landschaft umgeben, sondern von Wiese.
Am frühen Abend erreichen wir den Fairy Falls Trailhead, von dem aus wir unsere Wanderung ins Backcountry starten werden. Die Strecke hier her ist toll - rechts und links der Straße leuchtet das Gras golden in der Abendsonne.
Auf dem Weg liegt noch ein Aussichtspunkt mit Blick auf die Grand Prismatic Spring (zu dieser aber später mehr) - und so spurten wir uns, dass wir dieses Wahrzeichen noch im Licht der untergehenden Sonne zu sehen bekommen. Dabei lassen wir uns auch von einem den Weg versperrenden Bison nicht aufhalten.
Nach einer ruhigen, und bärenfreien Nacht (wobei wir ziemlich sicher sind, am morgen in der Ferne einen Grizzlybären durchs Gras haben streifen zu sehen) in den Imperial Meadows machen wir uns am nächsten Morgen auf zu zwei Geysiren: Imperial Geysir und Spray Geysir.
Sie befinden sich quasi auf dem Rückweg unserer Wanderung und sind überraschend beeindruckend. Besonders beeindruckend ist auch der von den beiden abfließende, dampfende und buntgefärbte Bach.
Auch die Fairy Falls lassen sich sehen. Besonders ist hier, dass das Wasser über eine überragende “Nase” in die Tiefe stürzt - und so nicht “den Hang hinabläuft”, sondern wirklich frei fällt.
Auf dem Weg zurück kommen wir auch wieder beim Aussichtspunkt über die Grand Prismatic Spring vorbei. Einfach ein wahnsinnig schöner Ausblick!
Auf dem Weg zum Auto kommen wir noch bei ein paar weiteren tollen Quellen vorbei - an welchen wir am Vorabend in der Eile noch vor Sonnenuntergang am Aussichtspunkt zu sein einfach “vorbeigerannt” sind.
Zurück beim Auto fahren wir nochmal etwas zurück Richtung Norden, um den Firehole Canyon Drive, einen Scenic Drive entlang des Firehole Rivers zu machen. Auf dem Weg kommen wir noch bei einem weiteren Bereich mit Geothermie vorbei (es gibt hier einfach so viele heiße Quellen, es ist wirklich der Wahnsinn): Fountain Paint Pot Area. Hier finden sich noch mehr tolle und auch farbenfrohe heiße Quellen, unter anderem die Silex Spring.
Dann geht es weiter zum erwähnten Firehole Canyon Drive.
Und weiter geht es. Wieder vorbei an goldenen Wiesen und mäandernden Flüssen.
Wieder Richtung Süden unterwegs halten wir beim Midway Geysir Basin, in dem sich auch die berühmte Grand Prismatic Spring befindet - welche wir ja schon von oben gesehen haben. Leider ist das Wetter mittlerweile so schlecht (es ist bewölkt und recht kalt), sodass man vor lauter Dampf die Quelle kaum erkennen kann. Dabei ist die Grand Prismatic Spring, die drittgrößte heiße Quelle der Welt, aufgrund ihrer bunten, sehr fotogenen Erscheinung vermutlich für viele Touristen der Grund ihres Besuchs. Innerhalb des Nationalparks ist sie sowohl die größte, als auch die heißeste Quelle. Zum Glück können wir am folgenden Tag erneut hinfahren und haben diesmal eine tolle und weniger “dampfige” Sicht auf die Quelle.
Wir fahren weiter Richtung Süden und erreichen das Black Sand Basin. Der geneigte Leser ahnt es bereits: weitere Geysire und heiße Quellen. Dennoch wird das so schnell nicht langweilig, so sind sie doch alle unterschiedlich und keine Quelle gleicht der anderen. Mal ist es die Farbe, die sich unterscheidet, mal die Größe, mal die Klarheit des Wassers, mal die Abwesenheit von Wasser.
Gegen Ende des Tages erreichen wir das Upper Geyser Basin, mit dem wohl bekanntesten Geysir des Nationalparks: dem Old Faithful. Old Faithful hat zwar nur moderate Eruptionshöhen von 30 bis 55 m, jedoch ist er sehr regelmäßig in seinen Ausbrüchen und diese lassen sich auch gut vorhersagen. Auch finden diese circa alle 90 Minuten statt - die genaue Schätzung, +/- 10 Minuten, kann man entweder im Besucherzentrum oder im Internet nachschauen. Damit ist er der größte, vorhersehbare (“predictable”) Geysir der Welt. Dies und die äußerst gute Erreichbarkeit - man braucht keine 5 Minuten vom Parkplatz aus - machen ihn natürlich zu einem echten Besuchermagneten. Auch hier sind wir übrigens sehr überrascht vom Yellowstone NP: normalerweise gibt es in den Nationalparks Besucherzentren und Campingplätze; selten Hotels. Hier gibt es jedoch ganze Dörfer mit Hotels, Tankstellen, Autowerkstätten, Geschäften für Lebensmittel und Ausrüstung und - auch das eher ungewöhnlich - sehr viel Handyempfang. Allerdings ist all dies in einem unauffälligen Stil gehalten und geht in der Fläche auch unter. So schadet es unserer Ansicht nach dem Park nicht, im Gegenteil macht es ihn sicherlich für viele Touristen zugänglicher.
In der Region rund um Old Faithful befinden sich neben unzähligen Geysiren auch einige anderen geothermale Quellen. Die meisten davon werden wir uns am folgenden Tag noch genauer anschauen. Heute begnügen wir uns mit einem kleinen Teil, denn so langsam reicht es selbst uns und wir fahren mit der untergehenden Sonne zu unserem Campingplatz am Lewis Lake.
Der nächste Tag beginnt jedoch erstmal bei einer weiteren geothermisch aktiven Region, diesmal direkt am Yellowstone Lake gelegen. Im West Thumb Basin befindet sich eine weitere Vielzahl unterschiedlicher geothermaler Quellen - teilweise sogar im See gelegen. Witzig ist vor allem der Geysir Fishing Cone, welcher in Ufernähe aus dem See ragt und von frühen Touristen wohl früher dafür verwendet wurde, gefangene Fische direkt an der Angelroute zu kochen. Faszinierend ist auch Abyss Pool - aufgrund der hohen Temperatur ist das Wasser daher sehr klar (und scheint daher blau) und man kann recht tief in “den Abgrund” hinabschauen.
Nun also nochmal zur Grand Prismatic Spring (und ihren nicht so berühmten, aber dennoch faszinierenden Nachbarn). Und diesmal passt alles: Es ist wärmer, die umgebende Luft kann die Feuchtigkeit der Quelle besser aufnehmen und dementsprechend versperrt kein Dampf den Blick auf diese faszinierende Wunder der Natur.
Anschließend geht es ein zweites Mal zum Upper Geysir Basin, wo wir eine große Runde entlang der unzähligen Geysire und anderen Sehenswürdigkeiten drehen, die wir am Vortrag ausgelassen haben. Glücklicherweise bekommen wir sogar den Ausbruch des Daisy Geysirs mit.
Beim Grand Geyser haben wir leider weniger Glück. Wir sind zwar innerhalb des prognostizierten “Eruptionsfensters” da und warten geduldig auf einen Ausbruch - allerdings ist die Prognose für diesen Geysir mit einer Ungenauigkeit von +/- 90 Minuten versehen …
Nach eineinhalb Stunden Warten reicht es uns und wir geben auf - schade. Aber die Zeit war es dennoch wert, denn so haben wir ein Bison dabei beobachten können, wie es hinter dem Geysir entlangwandert und später auch den Plankenweg kreuzt und dabei ins Straucheln kommt.
Somit schließen wir unseren Besuch im Yellowstone National Park mit einem gelungenen Ende umgeben von sprudelnden, dampfen und teils stillen heißen Quellen ab. Unser Weg führt uns nun weiter in den Süden, in den angrenzenden Grand Teton Nationalpark - dazu mehr im nächsten Artikel.